25. Jahrestagung des EbM-Netzwerks unter dem Motto „Evidenzbasierte Politik und Gesundheitsversorgung – erreichbares Ziel oder Illusion?“

Komplexe Versorgungsbedarfe – Welchen Beitrag leistet eine evidenzbasierte erweiterte Pflegepraxis?

Katharina Siliesa, Janna Silla, Verena von der Lüheb, Marcelina Roosb, Nadine J. Pohontschc, Martin N. Dichterb, Katrin Balzera

a Universität zu Lübeck, Sektion Forschung und Lehre in der Pflege, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck, Deutschland

b Universität zu Köln, Medizinische Fakultät und Uniklinik Köln, Institut für Pflegewissenschaft, Köln, Deutschland

c Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland

 

Hintergrund

Pflegefachpersonen sind mit komplexen Versorgungsherausforderungen konfrontiert: Hohes Alter und Multimorbidität führen zu hohen Hospitalisierungsraten von Bewohner:innen in Langzeitpflegeeinrichtungen. Im Krankenhaus können unerkannte Bedarfe von Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen zu Komplikationen und einer erhöhten Krankenhausverweildauer beitragen. International sind akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen, „Advanced Practice Nurses“, etabliert und tragen zu einer gesteigerten Versorgungsqualität bei. In Deutschland arbeiten bisher wenige akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen in der akut- und langzeitstationären Pflege, Rollenprofile sind heterogen und als Insellösungen entstanden. In den BMBF geförderten Projekten ENROLE-acute (ISRCTN81391868) und Expand-Care (DRKS00028708) [1] wurden anhand evidenzbasierter Methoden [2] Rollenprofile für die Person-zentrierte Versorgung von Menschen mit komplexen Versorgungsbedarfen in zwei verschiedenen Settings entwickelt und erprobt.

Das Symposium gibt einen Überblick über die Methoden der Interventionsentwicklung, die erweiterten Rollenprofile der Pflegefachpersonen und deren Umsetzung und Evaluation.

 

 

Gehaltene Vorträge

ENROLE-acute – Erweiterte Rollen für Pflegefachpersonen zur Person-zentrierten Versorgung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen im Krankenhaus:

1. Aufgaben und Rollen von akademischen Pflegeexpert:innen in der Akutversorgung in Deutschland: Ergebnisse einer deskriptiven Querschnittsstudie (Verena von der Lühe, Universität zu Köln)

2. Eine erweiterte pflegerische Rolle zur Person-zentrierten Versorgung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in der Akutversorgung in Deutschland: Ergebnisse der Interventionsentwicklung (Marcelina Roos, Universität zu Köln)

 

Expand-Care – Erweiterte pflegerische Kompetenzen zur Verbesserung der Person-zentrierten Pflege für Bewohner:innen mit komplexen Versorgungsbedarfen:

3. Ein neues Rollenprofil für Pflegefachpersonen mit erweiterten Kompetenzen für Person-zentrierte Pflege in der Altenpflege (PEPA): Ergebnisse der Interventionsentwicklung (Katharina Silies, Universität zu Lübeck)

4. Implementierung des PEPA Rollenprofils: Ergebnisse der Prozessevaluation (Janna Sill, Universität zu Lübeck)

 

Referenzen

1. Silies KT, et al. Expanded nursing competencies to improve person-centred care for nursing home residents with complex health needs (Expand-Care): study protocol for an exploratory cluster-randomised trial. BMJ Open. 2023;13(7):e072955.

2. Skivington K, et al. Framework for the development and evaluation of complex interventions: gap analysis, workshop and consultation-informed update. Health Technol Assess. 2021;25(57):1-132

 

Silies K, Sill J, von der Lühe V, Roos M, Pohontsch NJ, Dichter MN, Balzer K (2024, 13.-15-. März). Komplexe Versorgungsbedarfe – Welchen Beitrag leistet eine evidenzbasierte erweiterte Pflegepraxis? [Symposium]25. Jahrestagung des EbM-Netzwerks, Berlin, Deutschland.

Kongruenz der multiperspektivischen Wahrnehmung des personenzentrierten Klimas in Langzeitpflegeeinrichtungen: Mixed Methods-Analyse im Rahmen der Expand-Care-Studie

Kilda Hinrichsena, Janna Silla, Katrin Balzera, Katharina Siliesa

aUniversität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Sektion für Forschung und Lehre in der Pflege, Ratzeburger Allee 160, 23562 Lübeck.

 

Hintergrund

Personenzentrierte Pflege orientiert sich an den Werten und Präferenzen des Einzelnen und kann die Qualität und Effizienz der Versorgung sowie die Wahrnehmung des personenzentrierten Klimas in stationären Langzeitpflegeeinrichtungen (LPZ) steigern. Die Implementierung ist komplex und bedarf einer Neugestaltung bestehender Rollen und Strukturen. In der Expand-Care-Studie (DRKS00025773) wurde ein neues Rollenprofil für Pflegefachpersonen zur Stärkung der personenzentrierten Pflege in LZP entwickelt und in einer cluster-randomisierten Pilotstudie mit begleitender Prozessevaluation untersucht [1]. Dieser Beitrag beschreibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Wahrnehmung des personenzentrierten Klimas aus Sicht von Bewohnenden, Angehörigen, Pflegeteam und Pflegedienstleitung in zwei Einrichtungen.

Methoden

Grundlage der Analyse sind Daten aus der Pilotstudie und der begleitenden Prozessevaluation: (i) 14 semi-strukturierte Interviews mit Bewohnenden, Angehörigen, Pflegefachpersonen und Pflegedienstleitungen, (ii) zwei Fokusgruppen mit n=8 pflegerischen Mitarbeitenden sowie (iii) Fragebögen zum personenzentrierten Klima, gemessen mit dem „Person-Centered Climate Questionnaire“ (PCQ) aus der Sicht des Pflegeteams (n=13). Der PCQ erfasst das personenzentrierte Klima einer Einrichtung in den Dimensionen „Sicherheit“, „Alltagsleben“ und „Gemeinschaft“ mit einem Summenscore (von 14-84, höhere Werte zeigen ein besseres Klima an) [2]. Qualitative Daten werden inhaltsanalytisch basierend auf den Dimensionen des PCQ ausgewertet und durch induktiv gebildete Kategorien ergänzt. Die Mixed Methods-Analyse erfolgt auf der Ergebnisebene mittels „joint displays“.

Ergebnisse

Der PCQ zeigt in Einrichtung A ein besseres personenzentriertes Klima (Median: 76, Range: 64-83) als in Einrichtung B (Median: 58, Range: 46-65). Die unterschiedliche Einschätzung des personenzentrierten Klimas spiegelt sich auch in den qualitativen Daten wider. Bei Vorliegen eines niedrigeren PCQ ergeben die Interviews aber differenziertere Beschreibungen von Problemen, aus denen konkrete Verbesserungspotenziale abgeleitet werden können.

Schlussfolgerung

Der Mixed-Methods Ansatz liefert Hinweise über die Kongruenz der Wahrnehmung zwischen den Beteiligten und den Einrichtungen und ermöglicht das Ableiten konkreter Maßnahmen. Beim Einsatz des PCQ sollten daher auch zusätzliche qualitative Methoden zur Evaluation der wahrgenommenen Pflegequalität in Betracht gezogen werden [3].

Keywords

Stationäre Langzeitpflege, Personenzentrierte Pflege, Mixed-Methods.

Literatur

1. Silies K.T., Vonthein R., Pohontsch N.J., et al (2023). Expanded nursing competencies to improve person-centred care for nursing home residents with complex health needs (Expand-Care): study protocol for an exploratory cluster-randomised trial. BMJ Open 2023;13:e072955.

2. Wilfling D., Möhler R., Köpke S., Dichter M.N. (2022): Person-Centered Climate Questionnaire – German version (PCQ-G). Benutzerhandbuch für die deutschsprachige Version. Köln.

3. Sion K., Verbeek H., de Vries E., Zwakhalen S., Odekerken-Schröder G., Schols J., Hamers J. 2020. The Feasibility of Connecting Conversations: A Narrative Method to Assess Experienced Quality of Care in Nursing Homes from the Resident’s Perspective. Int. J. Environ. Res. Public Health 2020, 17, 5118.

 

Hinrichsen K, Sill J, Balzer K, Silies K (2024, 13.-15-. März). Kongruenz der multiperspektivischen Wahrnehmung des personenzentrierten Klimas in Langzeitpflegeeinrichtungen: Mixed Methods-Analyse im Rahmen der Expand-Care-Studie [Poster]25. Jahrestagung des EbM-Netzwerks, Berlin, Deutschland.